Wie gehe ich mit der Trauer um mein Haustier um?

Artikel von Christina Wiesner
Lesezeit: ca. 10 Minuten

Haustiere sind unsere Familienmitglieder, Lebensbegleiter und Seelentröster. Wenn sie sterben, hinterlassen sie eine Lücke, die sich gerade in der ersten Zeit nach dem Verlust unüberwindbar anfühlen kann. Aus meiner Erfahrung als Trauerbegleiterin weiß ich, wie groß der Schmerz der betroffenen Tierbesitzer ist und wie sehr sich viele Wünschen, die Trauer würde so bald wie möglich verschwinden. Und ich muss ehrlich sagen: Ein Patentrezept für schnelle Trauerbewältigung habe ich nicht in Petto. Was ich dafür habe, sind einige Jahre an professioneller Erfahrung im Bereich Tiertrauerbegleitung. In dieser Zeit habe ich gelernt, was vielen Menschen in ihrer Trauer um ein geliebtes Tier weiterhilft und einige dieser Strategien möchte ich in diesem Artikel gerne weitergeben. Diese Liste ist natürlich nicht vollständig und nicht jeder Vorschlag ist für jede/n Leser:in geeignet. Nimm dir die Impulse mit, die sich für dich stimmig anfühlen. Letztendlich weißt du am besten, was dir gerade guttut.

Erlaube dir deine Trauer um dein Haustier

Bedauerlicherweise ist Tiertrauer immer noch ein Thema, das in unserer Gesellschaft stark bagatellisiert wird, was bedeutet, dass Betroffene in ihrem Schmerz selten ernst genommen werden. Insbesondere wenn die Trauer mehr als ein paar Wochen anhält, erhalten viele von ihrem Umfeld direkt oder indirekt die Botschaft: 

Jetzt muss es aber mal gut sein. Es war doch nur ein Tier. Du übertreibst. 

Derartige Reaktionen verunsichern die Trauernden oft zutiefst. Sie beginnen, ihre eigenen Gefühle in Frage zu stellen und sehen keine andere Möglichkeit, als ihre Gefühle zu verdrängen, um nach außen hin wieder zu funktionieren. Gerade dies kann allerdings dazu führen, dass die Trauer sich andere Wege sucht, gefühlt zu werden: zur Not in Form von Unruhe, Ängsten, Schmerzen, körperlichen Symptomen oder einem dumpfen Gefühl von emotionaler Leere.

Der wichtigste Hinweis zum Umgang mit Trauer um ein Haustier lautet daher: Stehe zu deiner Trauer und erlaube dir, den damit verbundenen Schmerz zu fühlen. Es ist okay, dass du auch nach Monaten oder Jahren noch um dein Tier trauerst. Es ist okay, dass es immer noch weh tut, dass dir dein Tier immer noch fehlt, dass du immer noch weinen musst. Es gibt keine maximale Trauerzeit pro Haustier, die du nicht überschreiten darfst. Nimm dir genau so viel Zeit, wie du brauchst.

Befreie dich von dem Druck, dein Tier loslassen zu müssen

Trauernde hören von ihren Mitmenschen oft, dass sie erst wieder ein glückliches Leben führen können, wenn sie ihr Tier endlich „loslassen“. Die Idee, dass Trauerarbeit auf das Ziel ausgerichtet ist, sich vom Verstorbenen zu lösen, wurde insbesondere durch Sigmund Freud populär. Dieser vertrat die mittlerweile überholte These, dass die Trauernden ihre Energie und Liebe vom Verstorbenen abziehen müssen, um sie Stück für Stück in lebendige Beziehungen zu investieren.

Hinter der Theorie vom Loslassen steckt die Vorstellung, dass Liebe sich wie die Summe auf einem Gefühlskonto verhält, die willentlich zwischen Personen aufgeteilt, abgezogen und wieder neuverteilt werden kann. Doch unsere Liebe entzieht sich jeder Plus-Minus-Rechnung, da die Zuneigung zu unserem verstorbenen Tier eben nicht die gleiche ist, die wir gegenüber unseren Freunden und Familienmitgliedern empfinden. Zum Zweiten erweckt sie den Eindruck, dass sich Trauer und eine aktive Teilnahme am eigenen Leben dauerhaft nicht vereinen lassen. Dabei kann gelebte Trauer sogar ein entscheidender Motivationsfaktor sein, die Kostbarkeit unseres Lebens und unserer Mitgeschöpfe in vollem Maße erfahren zu wollen.

Wenn du dich mit dem Begriff „loslassen“ nicht wohl fühlst, lass ihn links liegen. Du darfst die Beziehung zu deinem Tier weiter aufrechterhalten, auch wenn du sie nach seinem Tod auf andere Art und Weise leben musst als vorher. An der Liebe zu deinem Tier und an deiner Fähigkeit, ein glückliches Leben zu führen, ändert das gar nichts.

Vertraue dich einer lieben Person an – nicht nur dem Internet

Da trauernde Tierbesitzer in ihrem Umfeld nicht mit viel Verständnis für ihre Situation rechnen, wenden sich viele von ihnen an Internetforen und Gruppen auf sozialen Medien. Nicht wenige dieser Online-Räume sind allerdings auch gespickt mit übergriffigen Ratschlägen, Urteilen über die „richtige“ Art zu Trauern und tragischen Verlustgeschichten. Wenn du das Gefühl hast, dass das Lesen in diesen Foren und Gruppen dich noch mehr aufwühlt und verunsichert, nimm dir selbst zuliebe erst einmal Abstand von diesen Inhalten.

Die Suche nach Kontakt und Verständnis bleibt dennoch ein wichtiger Schlüssel zur Überwindung deiner Trauer, auch wenn das Internet nicht immer das richtige Medium dafür ist. Überlege dir stattdessen, wer in deinem direkten Umfeld möglicherweise ein offenes Ohr für dich hat. Kennst du eine andere tierliebe Person, die deinen Kummer verstehen könnte? Hast du eine gute Freundin, die immer Verständnis für dich hat, egal worum es geht? Scheue dich nicht davor, diese Vertrauenspersonen um ein Gespräch zu bitten. 

Schaffe dir wiederkehrende Rituale und Struktur

Haustiere schenken uns nicht nur Freude und Zuneigung, sondern geben unserem Leben auch Struktur. Wenn nach dem Tod des geliebten Tieres nicht mehr regelmäßig gefüttert, spaziert und ausgeritten wird, fehlen uns diese festen Ankerpunkte im Alltag und die damit verbundene Sicherheit und Stabilität. Besonders in der Anfangszeit nach dem Verlust deines Haustieres kann es daher sinnvoll sein, diese Struktur durch kleine Alltagsrituale wiederherzustellen. 

Du kannst zum Beispiel zur Fütterungszeit deines Tieres eine Kerze für ihn/sie anzünden und dir vorstellen, wie dieses kleine Ritual dich und dein Haustier seelisch „nährt“. Anstelle des täglichen Spaziergangs oder Ausrittes kannst du allein oder mit einem lieben Menschen spazieren gehen, und dabei durch die Bewegung an der frischen Luft Stresshormone abbauen. Auch die Pflege des Grabes oder das Einrichten und Pflegen einer Gedenkecke in deiner Wohnung kann zu einer wohltuenden Aktivität werden, mit der du weiterhin die Fürsorge gegenüber deinem Tier zum Ausdruck bringen kannst. 

Es ist völlig normal, dass diese Rituale dir am Anfang schwerfallen und dich möglicherweise zum Weinen bringen. Wenn du diesen Schmerz annimmst, legst du mit jeder Wiederholung einen weiteren Schritt auf deinem Trauerweg zurück.

Suche dir ein Ventil für deine Emotionen

Viele Trauernde erleben immer wieder Phasen, in denen sie von ihren Emotionen regelrecht überrollt werden. Da ist plötzlich unbändige Wut auf den Tierarzt, quälende Schuldgefühle vor dem Einschlafen oder so viel Traurigkeit, dass man mitten auf der Arbeit plötzlich die Tränen nicht mehr zurückhalten kann. 

Nicht immer fühlen wir uns sicher genug, unseren Emotionen an Ort und Stelle freien Lauf zu lassen. Es ist völlig in Ordnung, wenn du dich von deinen Schuldgefühlen am Abend auch mal auf gesunde Weise ablenkst und dir die Tränen im Meeting verkneifst. Dauerhaft möchten diese Emotions-Wellen allerdings angenommen und gefühlt werden, damit sie Stück für Stück abebben können.

Zu diesem Zweck kann es hilfreich sein, deinen Gefühlen gezielt und regelmäßig Raum zu geben – und ein Ventil, um richtig Druck rauszulassen! Hier einige Beispiele:

Traurigkeit: Melancholische Musik hören, allein in der Natur spazieren, malen oder zeichnen, einen Brief an dein verstorbenes Tier schreiben, alte Fotos ansehen, mit einer Vertrauensperson sprechen, einen traurigen Film ansehen, Visualisierungsübungen, eine Trauergruppe oder -begleitung in Anspruch nehmen.

Wut: In ein Kissen schreien, Brotteig kneten, Teppiche ausklopfen, Krafttraining, gegen einen Boxsack schlagen, Holz hacken, Unkraut ausrupfen, alte Töpfe ausschrubben, Schnitzel klopfen, Altpapier zerreißen, einen wütenden Brief voller Kraftausdrücke schreiben.

Schuldgefühle: Einen Entschuldigungsbrief schreiben, mit einer Vertrauensperson sprechen, Gedichte und Geschichten zum Thema „Vergebung“ lesen, ein Vergebungsritual durchführen (z.B. Ho’oponopono), Schuldgefühle in einer Trauergruppe oder mit einer/m Trauerbegleiter:in teilen.

Probiere aus, wie du dich deinem Tier weiterhin nahe fühlen kannst

Viele Tierbesitzer empfinden es als besonders schwer, ihrem Liebling physisch nicht mehr nahe sein zu können. Diese Realität zu akzeptieren ist schmerzhaft und gleichzeitig so wichtig. Dass du dein Tier nicht mehr Streicheln kannst, bedeutet jedoch nicht, dass du die Liebe zu ihm nicht mehr spüren darfst.

Um die tiefe Verbindung mit deinem Tier auch weiterhin erfahren zu können, eigenen sich bestimmte Formen der Meditation oder Visualisierungstechniken. In der Trauerbegleitung übe ich mit meinen Klient:innen beispielsweise eine spezielle Visualisierung, bei der die Bindung zwischen Klient:in und Tier in Form von warm leuchtenden Lichterfäden Herz und Körper erwärmt. Um eine Technik zu finden, die sich für dich richtig anfühlt, musst du möglicherweise ein wenig ausprobieren. Nimm dir die Zeit und finde heraus, wie sich Nähe zu deinem Tier auch ohne körperlichen Kontakt anfühlen kann.

Traue dich, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen

Manche Trauernde machen die Erfahrung, dass ihr Trauerprozess irgendwann ins Stocken gerät und sie einfach nicht mehr weiterkommen. Andere fühlen sich von Anfang an massiv überfordert und wissen gar nicht, wie sie die ersten Schritte zurücklegen sollen. Und wieder andere spüren, dass sie sich mit ihrer Trauer nicht an Freunde und Bekannte wenden können oder wollen. In all diesen Fällen kann es hilfreich sein, sich vorübergehend von einer/m Trauerbegleiter:in unter die Arme greifen zu lassen.

Genauso, wie Trauer keine Krankheit ist, ist Trauerbegleitung auch keine Therapie. Trauerbegleitung bietet dir einen geschützten Raum, um über deine Gefühle und Sorgen rund um die Trauer zu sprechen und zu lernen, wie du mit ihnen ein Stückchen besser umgehen kannst. Auch eine kurzfristige Begleitung über wenige Sitzungen kann dir wertvolle Impulse liefern, mit denen du dich selbstständig weiter auf den Weg machen kannst. Einige Trauerbegleiter:innen bieten auch geleitete Tiertrauergruppen an, in denen du mit anderen Betroffenen in den Austausch kommst und zusammen mit ihnen lernst, wie du die nächsten Schritte auf deinem Trauerweg gehen kannst. 

Hoffentlich konntest du einige Ideen finden, die dich Hoffnung im Umgang mit deiner Trauer schöpfen lassen. In jedem Fall wünsche ich dir alles Gute und viel Kraft auf deinem Weg.

Deine Christina

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